GALERIE

Elisabeth Iwanowna Epstein, 1879-1956

Geboren wird Elisabeth Hefter 1879 in der Grossstadt Schytomyr in der heutigen Ukraine. Die Familie zieht nach Moskau, wo Epstein 1895 ihr zweijähriges Studium an der Schule für Malerei, Bildhauerei und Baukunst beginnt. Sie nimmt unter anderem Unterricht beim bekannten Maler Leonid Pasternak.

1896 zieht sie nach München, wo sie sich beim slowenischen Maler Anton Ažbe weiterbildet. Zwei Jahre später lernt sie den russischen Arzt Max Epstein kennen, der in München arbeitet und den sie 1898 heiratet. Ein Jahr später wird der gemeinsame Sohn Alexander geboren. Die Ehe wird 1911 geschieden, bereits ab 1905 lebt das Paar getrennt.

Epstein setzt ihre Studien an der Privatschule von Ažbe fort und nimmt ausserdem Unterricht bei Wassily Kandinsky und Alexej Jawlensky. Sie verkehrt auch in dem berühmten «Rosa Salon» von Marianne von Werefkin, ein direkter Kontakt zwischen den beiden Künstlerinnen kann jedoch nicht belegt werden. Jedoch können beispielsweise Bekanntschaften nachgewiesen werden zu Gabriele Münter, zum Tänzer Alexander Sacharoff, der wie sie aus der heutigen Ukraine stammt, zum tschechischen Künstler Eugen von Kahler und der aus Moskau stammenden Olga Meerson. Kandinsky und Münter werden auch in den kommenden Jahren wichtige Bezugspersonen in Epsteins Leben sein, auch wenn diese Beziehungen eine Unterbrechung von knapp zwei Jahrzehnten durch die Wirren der Kriegsjahre durchlaufen werden. Insbesondere Kandinsky nimmt eine tragende Rolle ein, die fast derjenigen eines Mentors gleichkommt.

1908 zieht es sie alleine, ohne ihren Sohn, ins Pariser Künstlerviertel Montparnasse. Bereits in den zwei Jahren davor hatte sie am Salon d’Automne teilgenommen und wichtige Kontakte in der französischen Metropole geknüpft. In Paris belegt sie Kurse an der Académie de la Grande Chaumière, durchläuft jedoch auf künstlerischer und persönlicher Ebene eine schwierige Lebensphase.

Von Paris aus nimmt Epstein 1911 mit zwei Werken an der Ersten Ausstellung des Blauen Reiters in der Münchner Galerie von Heinrich Thannhauser teil. Als die Ausstellung auf Tournee geht, stellt ebenso Herwarth Walden im Jahr 1912 in seiner Berliner Galerie «Der Sturm» zwei Werke von Epstein aus. Ein Jahr später ist die Künstlerin am Ersten Deutschen Herbstsalon, ebenfalls bei Walden, vertreten. Zu Waldens «Sturm»-Publikation steuert sie zwei Beiträge bei.

Im Vorfeld der ersten Ausstellung des Blauen Reiters kommt Elisabeth Epstein eine besondere Bedeutung zu. Sonia Delaunay gehört seit dem gemeinsamen Studium in Paris zu ihren guten Freunden, zeitweise wohnen sie sogar zusammen. Als Epstein Fotografien von Werken Robert Delaunays, Sonias Ehemann, ihrem Freund Kandinsky schickt, löst sie eine Kettenreaktion aus: Kandinsky bereitet sich gerade mit Franz Marc für die erste Ausstellung des Blauen Reiters vor. Aufgrund dieser Fotografien beschliessen Marc und Kandinsky, den ihnen bisher unbekannten Delaunay an der Ersten Ausstellung der Redaktion «Der Blaue Reiter» teilnehmen zu lassen. Elisabeth Epstein wird also zum massgeblichen Bindeglied, das den französisch-deutschen Kunsttransfer erst ermöglicht.

Der Umzug 1912 vom unruhigen und geschäftigen Montparnasse ins 13 km entfernte Montmorency bringt ihr Erleichterung. Epstein verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Reproduzieren von Werken im Louvre.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs muss Epstein Frankreich verlassen und lässt sich in Genf nieder. Ihr Sohn, der wegen seiner russischen Staatsbürgerschaft nicht länger in München bleiben kann, folgt ihr. In Genf schliesst sie Bekanntschaft mit dem deutschen Maler Christian Schad, mit dem sie 1918 eine Ausstellung zusammen eröffnet.

Die späteren Jahrzehnte verbringt sie abwechselnd in Paris und Genf, wobei ihr das kubistische Umfeld in Paris eher zusagt. Es folgen unzählige Ausstellungsbeteiligungen und 1930 die erste Einzelausstellung in der Pariser Galerie Zak. Trotz ihrer regen Ausstellungstätigkeit und des dadurch entstehenden Erfolges bzw. Bekanntheitsgrades geht es ihr finanziell nicht besonders gut; ihre Werke verkaufen sich nur vereinzelt.

1929 nimmt Epstein in Genf die Schweizer Staatsbürgerschaft an, was ihr in der folgenden Zeit sicherlich das Leben rettet, ist sie doch jüdischer Abstammung. Wegen diverser Schwierigkeiten gibt Epstein 1939 ihr Atelier in Paris auf und lebt von da an bis zu Ihrem Tod 1956 in Genf.

 

Lange Zeit war Elisabeth Epsteins Name in Vergessenheit geraten. Erst 1989 ändert sich dies mit dem Erscheinen der ersten Monographie über die Künstlerin. Jedoch sind auch heute noch viele Details aus ihrem Leben unbekannt oder nicht genügend erforscht. Auch Epsteins Werke sind rar – so sind heute etwas über 70 Gemälde bekannt. Aus den frühen Jahren, aus München und den Anfängen in Paris, sind nur wenige Werke erhalten. Unzählige Arbeiten sind während der Kriegsjahre verloren gegangen.

Aus den wenigen erhaltenen und bekannten Werken aus dieser Zeit kann eine Stiländerung um 1910 herausgelesen werden: ihre zuvor farbintensiven und skulptural wirkenden Gemälde werden von Arbeiten mit stärker konturierten Formen ersetzt. In ihren ungegenständlichen Arbeiten nähert sie sich den orphistischen Elementen des befreundeten Paares Delaunay an.

In den 1920er und 30er Jahren nimmt sie in ihren Werken Stilelemente des Kubismus auf, wie zum Beispiel in «Nature morte», 1929. Es entstehen ausser Stillleben auch Landschaftsbilder, Stadt- und Raumansichten, aber auch abstrakte Werke.

In ihrem Spätwerk ab 1939 konzentriert sich Epstein vor allem auf Stillleben, was mit ihren gesundheitlichen Beschwerden zu tun haben mag. In der Genfer Galerie Moos fand sie 1940 und 1941 die Möglichkeit auszustellen.

 

Elisabeth Iwanowna Epstein, 1879-1956

Elisabeth Hefter was born in 1879 in the city of Zhytomyr in today’s Ukraine. The family moved to Moscow, where Epstein began her two-year studies at the School of Painting, Sculpture and Architecture in 1895. Among other things, she took lessons from the well-known painter Leonid Pasternak.

In 1896 she moved to Munich, where she trained with the Slovenian painter Anton Ažbe. Two years later she met the Russian doctor Max Epstein, who worked in Munich and whom she married in 1898. Their son Alexander was born one year later. The marriage was divorced in 1911, and the couple lived separately from 1905.

Epstein continued her studies at Ažbe’s private school and also took lessons from Wassily Kandinsky and Alexej Jawlensky. She also frequented Marianne von Werefkin’s famous “Rosa Salon”, but direct contact between the two artists cannot be proven. However, for example, acquaintances with Gabriele Münter, the dancer Alexander Sacharoff, who, like her, came from today’s Ukraine, the Czech artist Eugen von Kahler and the Moscow-born Olga Meerson can be proven. Kandinsky and Münter continued to be important caregivers in Epstein’s life during the following years, even if these relationships were interrupted by almost two decades due to the turmoil of the war years. Kandinsky in particular played a key role that is almost equal to that of a mentor.

In 1908 she moved alone, without her son, to the Parisian artists’ district of Montparnasse. In the two years before that, she had already taken part in the Autumn Salon Paris and made important contacts in the French metropolis. In Paris, she took courses at the Académie de la Grande Chaumière, but went through a difficult phase of life on an artistic and personal level.

From Paris, Epstein took part in the first exhibition of The Blue Rider in Heinrich Thannhauser’s Munich gallery in 1911 with two works. As the exhibition went on tour, Herwarth Walden also exhibited two works by Epstein in his Berlin gallery The Storm in 1912. A year later, the artist was represented at the First German Autumn Salon, also at Walden’s gallery. She made two contributions to Walden’s Storm publication.

In the run-up to the first exhibition of The Blue Rider, Elisabeth Epstein was of particular importance. Sonia Delaunay has been one of her good friends since studying together in Paris, and they even lived together at times. When Epstein sent photographs of works by Robert Delaunay, Sonia’s husband, to her friend Kandinsky, she triggered a chain reaction: Kandinsky was preparing with Franz Marc for The Blue Rider‘s first exhibition. Based on these photographs, Marc and Kandinsky decided to let Delaunay, whom they had never known before, take part in the first exhibition of The Blue Rider editorial team. Elisabeth Epstein thus became the essential link that made the Franco-German art transfer possible in the first place.

The move in 1912 from the restless and busy Montparnasse to Montmorency, 13 km away, brought her relief. Epstein made a living reproducing works in the Louvre.

When the First World War broke out, Epstein had to leave France and settled in Geneva. Her son, who could no longer stay in Munich because of his Russian citizenship, followed her. In Geneva she made the acquaintance of the German painter Christian Schad, with whom she opened an exhibition in 1918.

She spent the later decades alternately in Paris and Geneva, although she prefered the Cubist environment in Paris. Countless exhibition participations followed and in 1930 the first solo exhibition in the Paris gallery Zak. Despite her lively exhibition activity and the resulting success and level of awareness, she was not doing particularly well financially; her works only sold sporadically.

In 1929, Epstein took Swiss citizenship in Geneva, which certainly saved her life in the following time, as she was of Jewish descent. In 1940 and 1941 she found the opportunity to exhibit at the Moos Gallery in Geneva. Due to various difficulties, Epstein gave up her studio in Paris in 1939 and lived in Geneva from then until her death in 1956.

 

Elisabeth Epstein’s name had long been forgotten. This only changed in 1989 with the publication of the first monograph on the artist. However, even today many details from her life are still unknown or not adequately researched. Epstein’s works are also rare – just over 70 paintings are known today. Only a few works have survived from the early years, from Munich and the beginnings in Paris. Countless works were lost during the war years.

From the few surviving and known works from this period, a change in style around 1910 can be gleaned: her previously intensely colored and sculptural paintings are being replaced by works with more contoured forms. In her non-representational works, she approaches the orphistic elements of the befriended couple Delaunay.

In the 1920s and 30s she incorporated stylistic elements of Cubism in her works, for example in “Nature morte”, 1929. In addition to still lifes, she also created landscapes, city and spatial views, but also abstract works.

In her late work from 1939 onwards, Epstein concentrated primarily on still lifes, which may have something to do with her health problems.