GALERIE

Hans Hinterreiter, 1902-1989

Der gebürtige Winterthurer Hans Hinterreiter hatte ab 1920 zunächst Mathematik an der Universität Zürich studiert, später wechselte er zum Architekturstudium an der ETH Zürich. Nach dem Erhalt des Diploms 1925 arbeitete er in Baubüros in Bern und Aarau. Bereits früh begann er sich auch für den künstlerischen Ausdruck zu interessieren: Hinterreiter nahm Stunden in Zeichnen und Malen bei Wilhelm Ludwig Lehmann sowie ging dem Musikspiel nach.

1929 begab er sich nach Seelisberg, wo er sich für zwei Jahre in eine Alphütte zurückzog, um sich ganz der Malerei in einer wissenschaftlichen Herangehensweise zu widmen: Er stellte Experimente zu Malmaterialien, Farbechtheit und Gestaltungsprinzipien an, angespornt durch die Schriften des baltisch-deutschen Chemikers und Naturforschers Wilhelm Ostwald (1853-1932). Dieser hatte sich eingehend mit den Farbtheorien von Goethe und Runge beschäftigt und ein Farbsystem entwickelt, dass Malern ermöglichen sollte, Farbharmonien zu erzeugen. Hinterreiter war derart fasziniert von Ostwalds Theorien, dass er mit ihm in schriftlichen Kontakt trat und, durch Ostwald dazu angeregt, die heute noch erhaltene «Farborgel» entwickelte: In Töpfchen abgefülltes Farbpulver, das systematisch in Schubladen eines weissen Holzkastens angeordnet ist. Die Bezeichnung hatte Hinterreiter gewählt, weil sie Künstlern harmonische Akkorde ermöglichen sollte.

Hinterreiter gelangte bei seinem Aufenthalt in Seelisberg auch zur Einsicht, dass wasserlösliche Temperafarbe wegen des reicheren Farbenspektrums für seine künstlerischen Ansprüche besser geeignet sei als Ölfarbe. Zudem verfügt Tempera über eine ebenso gute und durch Hinterreiters Experimente bestätigte Farbbeständigkeit.

Die von Hinterreiter in Seelisberg entwickelten Theorien, die die Malerei an die Mathematik heranführen, ergaben, dass jede Bildkonstruktion ab 1930 durch eine Gerade, den «erzeugenden Linienzug», entstand: Diese hat der Künstler zwischen dem Knotenpunkt in einem regelmässigen Netz gedreht, gespiegelt und vervielfältigt. Hinterreiter selbst nannte dies eine «kristalline Komposition». Die linearen Gitter füllte er mit Gouachen.

1934 unternahm er eine Reise nach Spanien und beschloss, sich auf Ibiza niederzulassen. Er kehrte jedoch 1936 wegen des Spanischen Bürgerkriegs in die Schweiz zurück. In dieser Zeit konzentrierte sich Hinterreiter auf kristalline Muster, die durch das Einbringen von Hauptpunkten verfälscht und in der Wiederholung eingeschränkt sind.
Ebenfalls 1936 machte Hinterreiter Bekanntschaft mit Max Bill und näherte sich der Konkreten Kunst an. Zwei Jahre später traf er erneut auf Bill, der ihn zur Allianz, der Vereinigung moderner Schweizer Künstler, brachte. Später – 1942 und 1947 – stellte Hinterreiter mit der Allianz im Zürcher Kunsthaus aus.

1939 verstarb seine Frau Mina, die Heirat war zehn Jahre zuvor gewesen. Der Tod von Mina erschütterte den Künstler tief. Er kehrte noch im selben Jahr nach Ibiza zurück. Nach 1942 waren seine Werke häufig gekennzeichnet durch das Zentrieren von Verläufen mittels Brenn- oder Fluchtpunkten. Die bisher eher starren Feldordnungen erhielten eine «organische Strukturierung», die kurvig, halbrund oder kreisförmig sein konnte.

1953 kaufte Hinterreiter eine Farm in Santa Eulalia und widmete sich für mehr als zehn Jahre hauptsächlich deren Bewirtschaftung. Hinterreiters Arbeiten begannen auf dem Kunstmarkt Beachtung zu finden, 1973 folgte die erste museale Einzelausstellung im Kunstmuseum Winterthur.

Mit seiner zweiten Ehefrau Inge von Carlowitz, die er 1963 heiratete, kehrte auch die Malerei wieder in sein Leben zurück. In dieser Zeit entwickelte er seine Theorien weiter und schuf zahlreiche Druckgrafiken. Hinterreiter lebte bis zu seinem Tod 1989 auf Ibiza.

 

Hans Hinterreiter, 1902-1989

Born in Winterthur, Hans Hinterreiter first studied mathematics at the University of Zurich from 1920 onwards, later changing to architecture at the ETH Zurich. After receiving his diploma in 1925, he worked in construction offices in Bern and Aarau. He also became interested in artistic expression at an early age: Hinterreiter took lessons in drawing and painting with Wilhelm Ludwig Lehmann as well as pursued music playing.

In 1929 he went to Seelisberg, where he spent two years in an alpine hut, to devote himself entirely to painting in a scientific approach: he conducted experiments on painting materials, colour fastness and design principles, spurred on by the writings of the Baltic-German chemist and naturalist Wilhelm Ostwald (1853-1932). Ostwald had studied the colour theories of Goethe and Runge in detail and developed a colour system that enabled painters to create colour harmonies. Hinterreiter was so fascinated by Ostwald’s theories that he got into written contact with him and, inspired by Ostwald, developed the «colour organ» that still exists today: colour powder filled in small pots and systematically arranged in drawers of a white wooden box. Hinterreiter had chosen the name because it was supposed to enable artists to play harmonic chords.

During his stay in Seelisberg, Hinterreiter also came to the conclusion that water-soluble tempera paint was better suited to his artistic requirements than oil paint because of its richer colour spectrum. In addition, tempera has an equally good colour fastness, which was confirmed by Hinterreiter’s experiments.

The theories developed by Hinterreiter in Seelisberg, which brought painting closer to mathematics, revealed that every pictorial construction from 1930 onwards was created by a straight line, the «generating line»: the artist rotated, mirrored and multiplied this between the node in a regular network. Hinterreiter himself called this a «crystalline composition». He filled the linear grids with gouaches.

In 1934 he went on a trip to Spain and decided to settle in Ibiza. However, he returned to Switzerland in 1936 because of the Spanish Civil War. During this period Hinterreiter concentrated on crystalline patterns, distorted and limited in repetition by the introduction of main points.

Also in 1936, Hinterreiter became acquainted with Max Bill and approached Concrete Art. Two years later he met Bill again, who brought him to the «Allianz» («Alliance»), the Association of Modern Swiss Artists. Later – In 1942 and 1947 – Hinterreiter exhibited with the Allianz at the Zurich Kunsthaus.

In 1939 his wife Mina died, the marriage had been ten years earlier. Mina’s death shook the artist deeply. He returned to Ibiza the same year. After 1942, his works were often characterised by centring progressions by means of focal or vanishing points. The previously rather rigid field orders were given an «organic structuring», which could be curved, semicircular or circular.

In 1953 Hinterreiter bought a farm in Santa Eulalia and devoted himself mainly to its cultivation for more than ten years. Hinterreiter’s work began to attract attention on the art market, followed by his first solo museum exhibition at the Kunstmuseum Winterthur in 1973.

With his second wife Inge von Carlowitz, whom he married in 1963, painting also returned to his life. During this time he further developed his theories and created numerous prints. Hinterreiter lived on Ibiza until his death in 1989.